Wie kommt es überhaupt zu dieser Tradition? Warum stehen soviele Geeks
auf Modelleisenbahnen? Nun, sicher liegt das unter anderem auch daran,
daß Modellbahnspielen nicht nur heißt, mit der Märklin-H0 um den Weihnachtsbaum im
Kreis zu fahren. Wie kaum ein anderes Hobby erlaubt die Modellbahn
ihrem Betreiber, sich aus einer Vielfalt von Möglichkeiten diejenigen
herauszusuchen, die ihm am meisten zusagen. Das kann von Landschaftsbau und Zugbildung
über Elektronikbasteleien und Hardware-Entwicklung bis hin zum Selbstbau von Fahrzeugen und
Gleisen
gehen.
Neben der Faszination für Lokomotiven und insbesondere Dampfloks, die
wohl bei den meisten Fans der ursprüngliche Auslöser gewesen sein
dürfte, ist die Eisenbahn als solche mit ihrem (in der Zwischenzeit
nicht mehr ganz so) riesigen Netz und aufwendigen Regelwerk eines der
ältesten Beispiele für Netzwerke an sich, dessen Zusammenhänge zu
überblicken selbst für gestandene Nomicspieler eine Herausforderung
ist.
Ein solch intensive Beschäftigung mit dem Vorbild ist natürlich keine
Voraussetzung für das Spielen mit der Modellbahn. Das schlichte
Fahrenlassen schöner Züge durch beeindruckende Landschaften gehört
natürlich auch (und für die meisten in erster Linie) dazu.
Europas erste Instanz fürs vorbildorientierte Modelleisenbahnern ist
ohne Zweifel der FREMO
(Freundeskreis Europäischer Modellbahner e.V.). Im Gegensatz zu den
allermeisten anderen Modellbahnclubs gibt's hier nämlich keine feste
Anlage und deswegen auch niemanden, der Kraft seines Amtes bestimmen
könnte, was auf derselben gebaut werden soll und was
nicht. Stattdessen bauen die Mitglieder Anlagenteilstücke mit genormten Schnittstellen,
sog. Module,
die dann auf bis zu turnhallengroßen Treffen zu einem Streckennetz
zusammengestellt werden. (Das Wort "Anlage" wäre hier eine
Untertreibung. :-)
Das Schöne daran ist, daß niemand alles können muß, was für solch ein
Unterfangen notwendig ist. Für jeden Teilbereich gibt es Spezialisten:
- Arrangementplaner, die aus vielen Modulen eine Anlage
komponieren;
- Fahrplanmacher, die dafür sorgen, daß nicht alles kreuz und quer
fährt;
- Digitalfuzzis, die dafür sorgen, daß überhaupt was fährt
(bzw. daß mehr als nur ein Zug fahren kann);
- Bahnhofspersonale, die die Rollen von Fahrdienstleitern,
Rangierleitern und Rangierern übernehmen;
- Zugmannschaften, also Lok- und Zugführer.
Von Modul- und Rollmaterialeignern mal ganz abgesehen, ohne die geht
natürlich gar nichts. Daß dabei jedem Treffenteilnehmer nicht nur eine
dieser Rollen zufällt, versteht sich vermutlich von selbst.
Wie in jedem Hobby gibt's natürlich auch hier reichlich Munition für
die kanonischen Glaubenskriege: Angefangen von Maßstab
und Spurweite über das Betriebssystem (also, ob Gleich- oder Wechselstrom, ob Analog
oder Digital) bis hin zur Epoche (nachgebildeter Zeitraum) für kleine und größere
Kabbeleien gibt's mehr als genügend Anlässe. Daß sich nebenbei dann
auch noch die Nietenzähler mit den Spielbahnern beharken, bedarf dann
schon fast keiner Erwähnung mehr.
Wem aber diese kleinen elektrischen Eisenbahnen zu piffelig sind, wer also der Meinung ist, daß
Eisenbahn, wenn sie auf den Fuß fällt, richtig wehtun muß, der
beschäftigt sich dann eher mit mehr
oder weniger großen Gartenbahnen, mit mehr
oder weniger alten Stellwerken
oder gleich mit mehr oder weniger großen
richtigen Eisenbahnen. So eine Museumsbahn ist ja letzten Endes auch nur eine Modelleisenbahn im Maßstab 1:1 (auch wenn die das nicht so gerne hören ;-).
Wer nun Öl geleckt hat, dem sei als Einstieg zum Weiterlesen DER_MOBA, die Homepage der
Newsgroup de.rec.modelle.bahn,
ans Herz gelegt.
Und auch heute wieder unsere allsonntägliche Frage an Euch: Was ist
Euer Verhältnis zu Modelleisenbahnen?
Die heutige Sonntagskolumne wurde zum Großteil geschrieben von Ermel und zum Kleinteil von XTaran.
Dank geht an dawn und Frank für's Probelesen und für Poll-Ideen.
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