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Von Anonymer Feigling am Monday 19. February 2007, 15:51 MES (#1)
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Ich halte es für gefährlich, aus lauter Bequemlichkeit auf ein Ami-Urteil zu verweisen in einer Sache, die eigentlich mit gesundem Menschenverstand auch selber erörtert werden kann. Denn in Amiland sind die Urteile von denen man Recht oft hört, alles ander als durchdacht und erwogen. Generell überzogen, ungerecht, unangemessen, unverhältnismässig. Deswegen: bitte keine Vergleiche, auch wenns gerade passt, denn diese Mentalität ist sehr gefährlich und sollte sich nicht durchsetzen.
chvt
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Dem kann ich nicht zustimmen. Es ist äusserst ungenau und verallgemeinernd wenn man etwas als nur grundsätzlich schlecht bezeichnet.
Es ist für eine objektive Betrachtung von irgend etwas wichtig, sowohl die positiven wie auch die negativen Aspekte zu sehen.
Minderheiten auszuschliessen ist gefährlicher als zu erwähnen, dass das Amerikanische Urteile teilweise nicht ganz so schlecht sind...
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Wenn man es sich so bequem macht wie Du geht's in der Tat nicht gut. Wenn ich spezifisch darauf hinweise, dass dies hier ein Urteil aus den USA ist verlange ich vom Leser (durchaus bewusst), dass er sich mit dem Unterschied zwischen ausländischer und inländischer Rechtssprechung befasst. Wenn er sich weigert, das zu tun, könnte er mit meinen Artikeln halt gelegentlich überfordert sein.
IMHO hat die US-amerikanische Rechtssprechung einen vergleichsweise grossen Einfluss auf das Weltgeschehen. Einerseits im allgemeinen, weil immer noch viele Staaten die USA als ihren Leithammel sehen als auch im Besonderen auf das Internet bezogen, weil auch heute noch zentrale Internetdienste von weitgehend oder ausschliesslich US-amerikanischen Organisationen betrieben werden. Deshalb schaue ich auf Urteile von dort und bin mir sicher, dass das auch Schweizer Justizpolitiker tun.
Ich behaupte hier mal glatt heraus, dass das US-amerikanische Rechtssystem, prozentual richtig umgerechnet, nicht wesentlich mehr Blödsinn produziert als dasjenige der Schweiz. Vielleicht mal von der Todesstrafe abgesehen. Auch unsere Richter sind auf Expertenmeinungen angewiesen, ohne immer die Mittel zu haben, die Qualität der Experten zu prüfen. In unseren Gesetzen steht auch jede Menge Unfug. Die meiste Menge Unfug steht allerdings hier, als schweizerische Besonderheit, in der Verfassung - Resultat der fehlenden Gesetzesinitiative. Aber die ist den Gesetzen übergeordnet, so dass es am Ende mehr oder minder aufs gleiche herauskommt.
Grüsse vom Knochen
PS: Ich weiss... don't feed the trolls ;-) Aber ich philosophieren halt gerne ;) --
Ein christlich Regiment wird durch nichts mehr verhunzt als durch zu viel sogenannte Justiz. J. Gotthelf
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Von Anonymer Feigling am Monday 19. February 2007, 18:40 MES (#5)
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Das ist aus US-Sicht kein Bug sondern ein Feature. Dadurch ist es nämlich theoretisch möglich, Urteile zu fällen, die der konkreten Situation gerecht werden, während nach unserem Rechtssystem Härten entstehen können, die der Richter schulterzuckend mit "tut mir leid, aber das steht nun mal so im Gesetz" abtun muss.
In unserem System entstehen z.T. schwachsinnige Urteile, weil Parlamentarier bei der Verabschiedung von Gesetzen sich von Lobbyisten haben verleiten lassen oder naturgemäss nicht jede mögliche Konsequenz eines Gesetzes zum Vornherein abschätzen können und weil der Gesetzgeber der Realität immer um Jahre hinterherhinkt. In den USA dagegen entstehen schwachsinnige Urteile, wenn irgendein Gericht es so beschliesst. Was nun besser oder schlechter ist, ist eine andere Frage.
In der Schweiz bist du, wenn du nicht genug Geld hast, daran gehindert, dein Recht einzufordern oder aber du musst klein beigeben, wenn du verklagt wirst, bzw. deinen Ruin in Kauf nehmen, um einen Anwalt und laufende Gerichtskosten zu finanzieren (das Vorlegen von Beweisen kostet z.B. Geld, das du vorschiessen musst, hast du keines, sind deine Behauptungen unbewiesen). Das ist in den USA nicht der Fall.
In der Schweiz musst du deinen Anwalt bezahlen, egal was er tut und egal, was beim Prozess rauskommt. Ein Anwalt kann bei einer persönlichen Beratung behaupten, dass die Chancen gut stünden und dir raten zu klagen, wenn dein Prozess danach hochkant verloren geht, bezahlst du deinen Anwalt trotzdem und die Kosten deines Gegners noch dazu, dein Anwalt ist fein raus, egal, wie dein Verfahren ausgeht. Anwälte sind in dieser Beziehung, wie Ärzte übrigens auch, privilegiert, sie müssen bloss nach den Regeln der "Anwaltskunst" tätig sein um ein Anrecht auf ihr Honorar zu haben, was für ihre Mandanten dabei rausschaut, ist ziemlich egal, wenn sie nicht gerade was völlig katastrophales machen (z.B. Termin verschlampen, Akten nicht einreichen o.ä.). Das ist in den USA nicht so.
Kurz: Ob das US-Rechtssystem besser oder schlechter ist als unseres, ist eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Wenn irgendein Hansel einen Konzern auf 3 Mrd. US $ Schadenersatz verklagt, geht das durch alle Medien und die Leute schütteln den Kopf, so kennen wir das US-Rechtssystem. Wenn dagegen an jedem x-beliebigen Bezirksgericht in der Schweiz täglich Scharen von Anwälten, denen ihre Mandanten völlig wurscht sind einen Antrag stellen, von dem sie nicht mal selbst glauben, dass er auch nur die geringsten Chancen hat, bloss, weil sie ohnehin dafür Honorar kassieren, kommt das halt in keiner Zeitung.
Das ist die Schweizer Rechtsrealität fernab von den publicityintensiven Verfahren (wie z.B. der Swissairprozess), über die keine Zeitung berichtet und die meistens ohne Zuschauer stattfindet. Ein paar Tage als Zuschauer bei irgendeinem Bezirksgericht und ein paar durchschnittlichen Verfahren dürften die Augen öffnen und sind unbedingt zu empfehlen.
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Nun, prinzipiell kann man sich trefflich über das "richtige" Justizsystem streiten, aber ein paar Punkte will ich so doch nicht stehen lassen.
Das ist aus US-Sicht kein Bug sondern ein Feature. Dadurch ist es nämlich theoretisch möglich, Urteile zu fällen, die der konkreten Situation gerecht werden, während nach unserem Rechtssystem Härten entstehen können, die der Richter schulterzuckend mit "tut mir leid, aber das steht nun mal so im Gesetz" abtun muss.
Nur leider bleibt es oft bei der Theorie. Faktisch haben Präjudizien in den USA oft den Status von Gesetzen, wodurch die scheinbare Flexibilität sich ins Gegenteil verkehrt. Es ist kein Zufall, dass einige der sensibelsten Bereiche im "common law" schriftlich geregelt sind.
Andererseits sind in der Schweiz Gesetze häufig mit einem erstaunlichen Spielraum versehen. Dies gilt insbesondere für das Strafgesetzbuch. Es gab auch schon Urteile, bei denen der Angeklagte zwar schuldig gesprochen, auf eine Strafe aber verzichtet wurde. Interessanterweise wird genau diese Praxis zum Teil wieder heftig kritisiert, weil sie ungenügende Rechtssicherheit schaffe.
In unserem System entstehen z.T. schwachsinnige Urteile, weil Parlamentarier bei der Verabschiedung von Gesetzen sich von Lobbyisten haben verleiten lassen oder naturgemäss nicht jede mögliche Konsequenz eines Gesetzes zum Vornherein abschätzen können und weil der Gesetzgeber der Realität immer um Jahre hinterherhinkt.
Die Problematik existiert, ist aber weniger schlimm, als man denkt. Ein gutes Beispiel ist der so genannte Verwertungskettenabsatz im Urheberrecht, welcher den Weiterverkauf von Filmen verbietet, die im Kino laufen (werden) und noch nicht offiziell für den Privathandel herausgegeben wurden. Die ursprüngliche Version konnte als vollständiges Parallelimportverbot ausgelegt werden, was die IFPI auszunutzen versuchte. Diese Auslegung war zwar gemäss verschiedener Rechtsexperten unzulässig, trotzdem wurde der Absatz ein Jahr nach Inkrafttreten korrigiert.
In der Schweiz musst du deinen Anwalt bezahlen, egal was er tut und egal, was beim Prozess rauskommt.
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Das ist in den USA nicht so.
Das ist ein Irrtum. Um einen Anwalt zu finden, der pro bono oder pro rata arbeitet, muss dein Fall gut stehen, PR-lastig sein, oder du musst einfach Glück haben. Pflichtanwälte sind keineswegs ein aussterbender Berufsstand.
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GPL ist der Versuch, den Ring gegen Sauron einzusetzen.
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Von Anonymer Feigling am Tuesday 20. February 2007, 00:13 MES (#7)
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Das ist ein Irrtum. Um einen Anwalt zu finden, der pro bono oder pro rata arbeitet, muss dein Fall gut stehen, PR-lastig sein, oder du musst einfach Glück haben. Pflichtanwälte sind keineswegs ein aussterbender Berufsstand.
Ja, richtig, dein Fall muss gut stehen. Das führt dazu, dass dir ein Anwalt eher die Wahrheit darüber sagt, was er vom Fall hält. In der Schweiz ist die Anwaltsentschädigung dagegen abhängig vom Aufwand, den der Anwalt betreibt, nicht vom Erfolg. "Tut mir leid, aber in diesem Verfahren sieht es nicht gut aus, juristisch gesehen sind Sie im Unrecht." gibt dem RA etwa 200 Franken für eine Erstberatung. "Ja, das müssen wir mal anschauen, schreiben wir mal einen Antrag an das Gericht" gibt dagegen ab 2000 Franken aufwärts für eine erstinstanzliche Vertretung vor Gericht ...
Pflichtverteidiger in Strafprozessen sind sicher kein aussterbender Berufsstand. Erstens kosten die wie alle anderen Anwälte auch das volle Anwaltshonorar und zweitens nützen dir die im Zivilverfahren um das es hier geht gar nichts, da es hier keine Anwaltspflicht gibt. Der Unterschied zwischen Pflichtverteidiger und anderen Verteidigern ist, dass dir der Staat im Strafprozess ab einer gewissen Schwere der vorgeworfenen Taten den Pflichtverteidiger zwangsweise stellt, wenn du keinen eigenen Verteidiger mandatierst, zahlen musst du den trotzdem, es sei denn, das Gericht spricht dich frei.
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Ja, klar. Es ging mir nur darum, dass dein Argument vorher für mich so klang, als könnte man in den USA jederzeit für alles einen Gratisanwalt haben.
Es gibt übrigens auch in den USA Anwälte, die aussichtslose Fälle bis zum bitteren Ende durchschleppen. Des Prestiges wegen, oder weil sie auf einen Vergleich hoffen. Die Unsitte ist aber zugegebenermassen in der Schweiz verbreiteter, weil vor allem schlechte Anwälte sich so einen Zusatzverdinest erhoffen (gute Anwälte können es sich eher leisten, mit "tut mir leid" zu antworten).
Andererseits wiederum gibt es Klienten, die einen aussichtslosen Fall auf biegen und brechen durchziehen wollen. Lehnt der Anwalt ab, gehen sie einfach zum nächsten, und erzählten möglicherweise noch rum, der Ablehnende sei ein Feigling und habe sowieso keine Ahnung. Wenn sie dann den Prozess schliesslich verlieren, sind natürlich die Richter schuld, die sich ja sowieso schon lange von der Gerechtigkeit verabschiedet haben.
Recht haben und recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge, das ist wahr. Im Recht zu sein, und glauben, im Recht zu sein, aber auch. Darum habe ich in Rechtskunde immer gut aufgepasst. Know the rules (find the loopholes ;-).
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GPL ist der Versuch, den Ring gegen Sauron einzusetzen.
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Von Anonymer Feigling am Tuesday 20. February 2007, 17:06 MES (#9)
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Ja, klar, wo ein Pool von Prozesshanseln und Querulanten ist, die ihr eingebildetes Recht durchsetzen wollen, wird des immer Anwälte geben, die selbst in aussichtslosester Lage noch Anträge stellen, solange ihr Mandant schön zahlt.
Das Problem an unserem System ist, dass solches Verhalten durch Recht gezielt gefördert wird. Gemäss dem Obligationenrecht handelt es sich beim Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant um einen Auftrag, d.h. der Anwalt wird bezahlt dafür, dass er nach den Regeln seines Berufsstandes tätig wird und zwar entsprechend der Anzahl Stunden, die er mit dem Fall verbringt unabhängig davon, welcher Erfolg dabei rausschaut. (Als Erfolg würde ich es auch werten, wenn der Mandant aus einer Sache, in der er im Unrecht ist, möglichst ohne gröbere Anwalts- und Gerichtskosten rauskommt.)
Wenn der Anwalt zu den paar Top-Anwälten der Region gehört, will er die Zeit natürlich nicht mit irgendeinem Hansel verbringen, der irgendwen verklagt ohne was in der Hand zu haben. Wenn er zum Heer der übrigen Anwälte gehört, wird er sich dagegen sagen, dass auch dieser Hansel genausoviel Geld einbringt wie ein seriöser Fall, wird aber in weiser Voraussicht, dass sein Hansel womöglich bald finanzielle Schwierigkeiten haben könnte, möglicherweise Vorausbezahlung seines Aufwandes verlangen.
Ich habe es selbst erlebt, dass genauso ein Hansel mich (und andere) jahrelang mit Prozessiererei belästigt hat und irgendwelche Wurstelanwälte ständig irgendwelche Anträge gestellt haben. Irgendwann ist der Moment gekommen, wo er sich seine Prozessiererei offenbar nicht mehr leisten konnte. Folge: Die gegnerischen Anwälte haben das Mandatsverhältnis so schnell wie möglich beendet, als sie das realisiert haben, wenige Wochen später war der Prozess vorbei.
Was ich eigentlich sagen wollte: Viele Schweizerinnen und Schweizer wissen gar nicht, wie unser Rechtssystem wirklich funktioniert oder hängen den Vorstellungen nach, die in Kriminalromanen oder in Krimiserien oder über Sendungen wie "Richterin Barbara Salesch" u.ä. im Fernsehen verbreitet werden. Oder aber, ihr Bild vom Rechtssystem ist geprägt von Fällen, die gross in den Medien kommen (wo aber üblicherweise nur renommierte Anwälte auftreten).
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Das Problem an unserem System ist, dass solches Verhalten durch Recht gezielt gefördert wird. Gemäss dem Obligationenrecht handelt es sich beim Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant um einen Auftrag.
Quatsch. Erstens mal ist nirgends festgeschrieben, dass der Vertrag zwischen Anwalt und Klient ein Auftrag sein muss. Der Vertrag kann z.B. eine Klausel enthalten, dass eine Entlöhnung nur bei Erfolg fällig wird, wodurch er juristisch zum Werkvertrag mutiert. Üblich ist das allerdings nicht.
Zweitens legt das OR für den einfachen Auftrag zwar fest, dass der Klient den Lohn schuldet, ob der Anwalt Erfolg hat, oder nicht. Es hält aber auch fest, dass der Anwalt getreu und sorgfältig arbeiten muss. Handelt er gegen die Interessen des Klienten, so wird er Schadenersatzpflichtig. Umgekehrt ist der Klient laut Gesetz nur Zahlungspflichtig für Aufwendungen des Anwalts (dazu gehört auch sein Lohn), die dieser in korrekter Ausübung des Auftrags getätigt hat.
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GPL ist der Versuch, den Ring gegen Sauron einzusetzen.
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Von Anonymer Feigling am Wednesday 21. February 2007, 19:08 MES (#11)
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Dass eine Entlöhung nur bei Erfolg fällig wird ist gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit von Anwältinnen und Anwälten klar verboten. Ebenso ist es verboten, Provision auf die erstrittene Geldsumme zu vereinbaren. Im Klartext sind Anwälte grundsätzlich in der Ausgestaltung der Verträge mit ihren Klienten frei, diese dürfen aber nicht erfolgsabhängig gestaltet werden, was letztlich praktisch zwingend auf den Auftrag im Sinn des OR hinausläuft.
Dass Leute, die im Auftragsverhältnis arbeiten, nach den Regeln ihrer Berufskunst verpflichtet sind, sorgfältig und im Interesse ihrer Mandanten zu arbeiten, ist mir schon klar. Nur ist da das Feld relativ weit offen, da selbst ein vollkommener Misserfolg noch nicht bedeutet, dass der Anwalt nicht sorgfältig genug gearbeitet hat.
Beim Werksvertrag ist die Situation anders, da kann man im Vertrag festlegen, welche Leistung zu erbringen ist und wieviel Geld dafür zu entrichten ist.
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