From andy@ccc.de Wed Mar 20 17:59:07 2002
Date: Wed, 20 Mar 2002 15:13:57 +0000
From: Andy Mueller-Maguhn <andy@ccc.de>
To: chaos-update@lists.ccc.de
Subject: CCC Pressemitteilung zu Gespräch mit Herrn Büssow
Düsseldorf / Köln-Bonn / Berlin, 20.03.2002
Pressemitteilung des Chaos Computer Club e.V.
Internet-Zensur in Nordrhein-Westfalen:
Regierungspräsident Büssow zeigt sich einsichtig
gegenüber Kritik an laufender Sperrverfügung
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Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen
Büssow, verantwortlich für das derzeitige Filter- und
Zensurengagement einiger Internet-Service Provider in
Nordrhein-Westfalen [1], zeigt sich im Gespräch mit dem Chaos
Computer Club erstaunlich einsichtig gegenüber öffentlichen
Kritik an seinem Aktionismus.
Die beim gemeinsamen Gespräch von den CCC-Sprechern Jens Ohlig
und Andy Müller-Maguhn vorgebrachte Kritik, die Sperrung extremer
Inhalte würde von den mangelnden Konzepten bei der politischen
Bekämpfung des Extremismus nur ablenken, verblieb im
Raum. Verwiesen wurde auf entsprechende medienpädagogische Ideen,
die derzeit in Absprache mit der Schulabteilung der Bezirksregierung
entwickelt würden.
Einsichtig zeigte sich Herr Büssow insofern, als dass er
anerkannte, dass man mit dem "Schutz" des Bürgers vor
entsprechenden Internetseiten, diese in der Tat nicht vor
entsprechenden politischen Strömungen beschützt. Angesichts
verschiedener Widersprüche zur derzeitigen Sperrverfügung
ist auch die Rechtsgültigkeit der derzeit laufenden Massnahmen
umstritten.
Letztendlich könne laut Büssow nur ein Gericht entscheiden,
ob sich die Bezirksregierung Düsseldorf mit ihrer Verfügung
im gesetzlichem Rahmen bewege.
Im Hintergrund der Zensur-Versuche in Nordrhein-Westfalen entstehen
mittlerweile kommerzielle Begehrlichkeiten. So ist beispielsweise ein
Produkt der in St. Augustin bei Bonn ansässige Firma BOCATEL [2]
entwickelt worden. Das Unternehmen des angeblichen Internet-Experten
und Rechtsanwalts Michael Schneider, der bereits mehrfach im Kontext
zweifelhalter Internet-Inhalte tätig war, erprobt hier mit
Unterstützung der Düsseldorfer Bezirksregierung ihr
kommerzielles Projekt "Filterpilot".
Besonders problematisch ist dabei die teils freiwillige Mitwirkung der
Hochschulen in NRW. Die Hochschulen, eigentlich unter dem Grundrecht
der freien Lehre vor derartigen Beschränkungen geschützt,
haben nicht einmal den Versuch unternommen, gegen die ihnen
behördlich auferlegte Sperrverfügung anzugehen. Im Gegenteil
scheint man sich hier an dem kommerziellen Sperrversuch als eine Art
unbezahltes Testfeld zu beteiligen.
Erst in der später ergangenen Sperrverfügung sind zeitlich
und räumlich begrenzte Ausnahmeregelungen für
wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit derartigen Inhalten
ergänzt worden.
Damit ist in Nordhrhein-Westfalen für Kunden von
Internetanbietern und Studenten der ortsansässigen
Universitäten ein gefilteres Internet entstanden, wie es bisher
nur aus Staaten wie dem Iran, Irak oder der VR China bekannt
war. Nicht nur beim Chaos Computer Club ist dabei der Eindruck
entstanden, die Bezirksregierung Düsseldorf bewirbt sich mit der
Abschaffung des freien Netzzugangs für alle Bürger um einen
ständigen Platz in der Achse der Blöden.
Ein entsprechender Aufruf, die Sperrverfügung zurückzunehmen
und allen Bürgern auch weiterhin die Möglichkeit zu bieten,
sich selbst eine Meinung über die Zustände auf diesem
Planeten zu bilden, wurde neben dem CCC auch vom Jugendpresseverband,
den JungdemokratInnen und weiteren Organisation wie dem virtuellen
Ortsverband der SPD [3] unterzeichnet.
Auch die Internet-Initiative ODEM.ORG wehrt sich gegen die Sperrungen
und befürchtet einen gesellschaftlichen Rückschritt durch
Internet-Zensur. Eine entsprechende Erklärung [4] gegen die
Einschränkung der Informationsfreiheit haben mittlerweile
tausende von Initiativen und Einzelpersonen, wie die "Reporter ohne
Grenzen" und der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss
unterzeichnet.
"Eigentlich gehört dieser Unsinn, auch angesichts des im
Grundgesetz formulierten Zensurverbotes, hier ja staatlicherseit
verboten. Allerdings scheint die Bezirksregierung Düsseldorf sich
hier mehr an die Ausnahmeregelungen des Grundgesetzes, als der
Grundgesetzartikel selbst zu errinern. " fasste CCC-Sprecher Andy
Müller-Maguhn die Problemlage zusammen.
"Das Projekt des Herrn Büssow kommt etwa einem staatlichen Aufruf
an alle Bürger gleich, vor bestimmten Inhalten doch die
Hände vor die Augen zu halten. Damit lösst man aber keine
gesellschaftlichen Probleme", ergänze CCC-Sprecher Jens Ohlig und
bekräftigte damit, dass man den grundrechtsfeindlichen Vorstoss
der Bezirksregierung keineswegs tolerieren möchte.
Für Samstag den 06.04.2002 ist in der Düsseldorfer
Innenstadt eine Demonstration gegen die Zensurversuche der
Bezirksregierung Düsseldorf geplant. Weitere Informationen hierzu
gibt es im Internet unter
http://www.netzzensur.de/
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[1] Allgemeine Informationen zu den Zensurversuchen der Bezirksregierung
http://www.ccc.de/censorship/
http://www.odem.org/
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/11864/1.html
[2] http://www.bocatel.de/
[3] http://www.netzzensur.de/
[4] http://www.odem.org/informationsfreiheit/
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