Da dieser Tag für mich nur ein Tagesausflug ist, muss ich
schon um 05.45 Uhr aufstehen, damit ich nicht zu spät in Basel an der Orbit ankomme. Da probiere ich
mich zuerst mal zu orientieren und finde heraus, dass der Gutschein,
den ich für die Keynote von Jon in den Händen halte ein
spezieller Eintritt für den parallel zur Orbit-Messe
stattfindenden Business-Kongress ist. Ich habe damit kein Problem, nur
dass die Tasche mit dem Info-Material, die man mir am
Registration-Desk aushändigt, ein bisschen schwer ist (Spam auf
toten Bämen halt)-- aber die Tasche ist gut!
Nach der Registrierung muss ich ja jetzt nur noch den Badge anheften
und den richtigen Saal finden. Also stöbere ich mal in den
Unterlagen und suche nach Hinweis-Schildern oder ähnlichem. Aber
überall steht nur gerade das drauf, was auch im Online-Programm
oder im gedruckten Programm steht: niergend ist der Raum angegeben, in
dem die Keynote stattfinden wird. Zum Glück wissen die netten
Damen am Registration-Desk weiter: Saal Montreal.
Bevor die Keynote startet, bleibt noch schnell Zeit, am Stand der LUGS vorbeizuschauen und dort
einige andere Frühaufsteher zur Keynote abzuschleppen. Da
wir uns beeilen und gerade noch füf Minuten vor dem Anfang da
sind reicht es sogar noch für ein Gruppenphoto
mit Jon.
Dann beginnt Jon mit der Keynote. Er spricht ein gut
verständliches Englisch. Die erste Sache, die er behandelt, hat
nicht viel mit Linux zu tun: er lädt alle Leute ein, heute abend
mit ihm und einem alten DEC-Kollegen
ein Bier trinken zu gehen.
Die Keynote selber trägt den Titel Making Money with Linux:
The Master's Course und behandelt die Entwicklung des
Linux-Marktes. Bevor Jon mit dem eigentlichen Thema loslegt, verweist
er noch auf die Trademarks:
- Unix ist Trademark von X/Open, Ltd.
- Linux ist in vielen Ländern Trademark von Linus Torvalds (in
der Schweiz von der LUGS)
- Desinformation ist Trademark von Micro$oft
Linux ist vor allem geschützt worden, damit niemand anderes dies
tut und uns damit Schwierigkeiten bereitet. Linus möchte aber,
dass die Marke Linux in möglichst vielen Bereichen verwendet
wird, nicht nur für Computer-Software, sondern auf für Waschmittel
oder Autos.
Nach ein paar weiteren Bemerkungen zu Trademarks, Linux, Microsoft und
Sex landet er beim eigentlichen Thema des Vortrags: Linux und
Geld. Wenn man sich dafür ein bisschen interessiert, dann
stellt man unweigerlich fest, dass viele Firmen versucht haben, mit
Linux Geld zu verdienen und dann wieder von der Bildfläche
verschwunden sind. Daraus den Schluss zu ziehen, dass man mit Linux
kein Geld verdienen kann, wäre allerdings falsch: 50% bis 70% der
neu gegründeten Unternehmen in den USA verschwinden innerhalb von
weniger als zwei Jahren wieder von der Bildfläche -- wegen
verschiedener Gründe:
- Zu wenig Venture-Kapital.
- Falscher Umgang mit dem vorhandenen Kapital (teure Büros,
Autos und Manager).
- Der angepeilte Markt wandelt sich vom Nischen-Markt zu einem
Mainstream-Markt.
- Der Übergang von einer Börsen-Hause in eine -Baisse.
Den dritten Punkt, nämlich das Nischen- /
Mainstream-Markt-Problem beleuchtet er eingehender. Die Strategie
von kleinen Unternehmen ist es, Markt-Nischen zu besetzen, sehr
dynamisch zu sein und grössere Unternehmen preislich zu
unterbieten. Grosse Unternehmen können es sich oft nicht
leisten, in allen Markt-Nischen präsent zu sein. Es gibt
allerdings Gründe für grosse Unternehmen, auch in
Nischen-Märkte einzutreten:
- Wenn die vorhergesagten Gewinn die vorhergesagten Kosten fast
übersteigen
- Wenn ein wichtiger Mitbewerber in den Nischen-Markt einsteigt. (So
geschehen 1988 mit den Datenbank-Anbietern und vor kurzem mit Dell
vs. Compaq).
Bei so einem Markt-Eintritt haben grosse Unternehmen natürlich
ganz andere Möglichkeiten als kleine: sie können
bestehende Geschäftsverbindungen nutzen und den Markt-Eintritt
mit anderen Geschäftsbereichen quersubventionieren. Ausserdem
bringen sie meistens eine bekannte und grosse Marke mit, die auch im
neuen Markt plaziert werden kann (zum Beispiel IBM oder HP bei Linux).
Die Konsequenzen dieser Markteintritte von zahlreichen grossen
Unternehmen in den Linux-Markt ist, dass dieser bisherige
Nischen-Markt nun genau gleich funktioniert wie der alte Markt
für Betriebssysteme: Linux ist einfach ein weiteres
Betriebssystem und lebt oder stirbt wegen den Leistungen und nicht
wegen des Hypes. Die Leistungen eines Betriebssystems sind:
- Geld sparen und Geld verdienen (Zeit ist Geld und Total Cost of
Ownership).
- Es erlaubt den Benutzern, im Wettbewerb überlegen zu sein.
Nicht nur der Markteintritt der grossen Unternehmen zeigt den Wechsel
vom Nischen- zum Mainstream-Markt an, sondern auch zahlreiche andere
Markt-Indikatoren:
- Die Verkäufe von Linux-Servern steigen.
- Die Zahl der Anwendungen für Linux steigt (von 1500 im
November 2000 [Linux Journal] auf 2400 im Juli 2001 [IBM]).
- Die Zahl der Linux-Beowulf Systeme steigt.
- Die Zahl der Linux-Embedded Systeme steigt dramatisch.
Jon schliesst seinen Vortrag mit einer Zusammenfassung und
Dankesworten. In der Zusammenfassung sagt Jon nochmals ganz
deutlich, dass ein Linux-Unternehmen nicht anders funktioniert, als
ein anderes Unternehmen auch. Die Dankesworte richten sich an die
Miglieder von Linux International für die Unterstützung, an
IBM für das ThinkPad und an die Linux-Community für die hart
Arbeit und die Inspiration.
Ich fand den Vortrag toll, leider konnte am Abend nicht mit Jon
ein Bier trinken gehen, aber vielleicht haben es ja Momo_102, Venti
oder bit geschafft. Ich denke
nicht, dass die Analyse von Jon für alle Länder
gleichermassen zutrifft wie für die USA. Alleine schon der
Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz ist ziemlich gross
(aus Österreich höre ich eigentlich fast nichts zu
Linux). In der Schweiz ist der Linux-Markt doch noch deutlich den
Nischen-Märkten zuzuordnen (ausser dass IBM, HP etc. auch hier
präsent sind). In Deutschland dagegen steht der Linux-Tag unter der
Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie und der Markt ist viel grösser und lebendiger, oder?"
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